Die Spitze des Eisbergs

Nur durch eine Betrachtung auf das Ganze lässt sich Veränderung und Wachstum gestalten.

Es gibt kaum Organisationen, die nicht in einer Veränderung  stecken. Es wird aber meistens nur auf den einzelnen Mitarbeiter geschaut und Transformationkosmetik betrieben. Dabei sollte es um das System gehen, denn nur durch eine Betrachtung auf das Ganze lässt sich Veränderung und Wachstum gestalten.

Transformation bedeutet heute, gegen alte Verhaltensmuster anzugehen.

Als Mitarbeiter und als Führungskraft wird man wieder zu einem  Mitarbeiter-Event, Workshops, Schulungen eingeladen. Nach dem Besuch stellen sich meist alle Beteiligten die Frage, was es gebracht hat, Was ist der Benefit  für das Unternehmen? Und was kommt am Ende dabei raus?
Meist wenig! – und alle ahnen es. Die alten Denk- und Handlungsstrukturen pressen das Neue bald in die vorhandenen alten Formen und schon ist man da, wo alles begann.

Ein wenig Training hier, etwas zaghaftes Individualcoaching da. Der einzelne Mitarbeiter im Mittelpunkt.
Doch das  Soziale System entscheidet: Es setzt Grenzen, gibt Verhaltensanreize, sorgt für tausende Entscheidungen jeden Tag. Und es zeigt immer wieder: Wer für Anpassung belohnt wird, folgt dem jahrzehntelang bekannten Muster, auch wenn andere Überschriften den Eindruck von Bewegung erzeugen.

Die Transformation Bewegung versus Change Management

 „Transformation “ hat das „Change Management“ abgelöst. Der Change bzw. die Veränderung in seiner zielgerichteten Form kann nicht erfolgreich  gestaltet werden ohne eine Systemische Betrachtung der Organisation.

Den die alten Gewohnheiten, Routinen und Verhaltensmuster setzen sich nach einem kurzen Energieschwung auch bei neuem schickem Format bald gnadenlos wieder durch. Das gilt in kleinen ganz genauso wie in großen Unternehmen.

Neue moderne Lösungsmethoden müssen her, die alten haben scheinbar nicht geholfen, also reiht sich ein Modethema an das andere.

Transformation wird oft als Kulturwandel bezeichnet oder mit diesem gleichgesetzt. Gemeint ist, dass sich die Organisationskultur hin zu mehr Innovationsfreude ändert, verbunden mit Selbstverantwortung: Menschen, die Verantwortung für sich übernehmen und im Team mit anderen an künftigen Themen und Verbesserungen arbeiten, stiften Mehrwert für Endkunden. 

Wozu gibt es uns?

Zurzeit ist der Trend sich die Existenzfrage zu stellen: Wozu gibt es uns? Was ist der Zweck meiner Arbeit? Die simple Antwort „um Gewinne zu machen“ greift zu kurz.

Unternehmensverantwortliche sollten sich ernsthaft mit ihrem „Purpose“ (Zweck ihres Seins) beschäftigen, mit der Antwort auf die Frage nach der eigenen Existenzberechtigung. Sie sollten auf weitere kosmetische Maßnahmen verzichten und ernst nehmen, was draußen in der Welt passiert. Den dort lebt der Kunde, den Sie erreichen wollen.

Wer sich mit den Unternehmen wie Tesla oder Google beschäftigt, muss erkennen, dass deren wesentlicher Treiber ein starker und überdauernder „Purpose“ ist. Für Elon Musk etwa ist die „fundamentale Gutheit von Tesla“ die Beschleunigung von erneuerbarer Energie. So etwas treibt von Innen und braucht mehr Mindset als Methode. Doch viele Unternehmen in Deutschland verschwinden hinter Bergen aus bunten Karten und Zettelchen –  neue Religion wie z.B  „Design Thinking“ und viele andere Methoden beantworten diese Fragen nicht alleine, die zentrale Frage bleibt offen.

Wozu dient eine Personalentwicklung, wenn doch jedes Team selbst über sein Lernen bestimmen könnte? Wer sich diese Fragen stellt, beschäftigt sich mit dem Kern. Ein Unternehmen schaut nicht gerne unter den Eisberg ihres kollektiven Unbewussten, aber nur dort lässt sich Veränderungsenergie gestalten und spürbar werden. Fundamentaler Veränderungen bedarf genau dieser Bereitschaft.

Die Macht des Ver- und Beharrungsvermögens von Organisationen wird von Managern unterschätzt. Nach einer  Veränderungsformel des Entwicklungspsychologen Thomas Binder wird deutlich was den Ausschlag gibt:

 V = f (U x Z x W) > K

  • V (Ausmaß der Veränderungsmotivation)
  • U (Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation)
  • Z (attraktiver Zielzustand)
  • W (Verstehbarkeit und Praktikabilität des Weges)
  • K (Kosten der Veränderung: sachlich & persönlich)

Wenn ein Element der Menge gleich null ist, so werden alle anderen auch gleich null sein. In der Praxis beobachte ich oft keinerlei U. Ich lausche unattraktiven Visionen: Von Z also keine Spur. Ich höre Verständnislosigkeit zum W auf breiter Front. Methoden wie eben Design Thinking werden nicht selten zu Dienern des Istzustands.

Um erfolgreich neue, auf die Unternehmensumwelt reagierende, Veränderungen erfolgreich zu meistern bedarf es ein „Radikales Neudenken“

Systemische Organisationentwicklung fordert Entscheidungen auf der strukturellen Ebene. Entscheidungen, die das Umfeld so ändern, dass die Menschen sich anders verhalten müssen.

DB Systel, der IT-Dienstleister des DB-Konzerns, schaffte jüngst alle Führungskräfte ab und beschleunigte das Tempo seiner Transformation deutlich. Das zeigt, wie solche radikale Entscheidungen aussehen können. Es ist nicht zu erwarten, dass alle „Hurra!“ schreien, es muss auch nicht jeder eingebunden werden.

Es braucht einen weitreichenden  Blick und treibende Kräfte, die den Blick auf das Kollektiv legen, nicht auf das Individuum, an dem man sich in den vorhandenen Sicherheitssystemen nur abarbeiten kann.

Portrait von Jürgen Rahn
Jürgen Rahn

CEO, Systemischer Organisationsentwickler